22 Mai Die VC-Szene in Israel
“The Start Up Nation” – diesen Spitznamen erhielt Israel vor allem aufgrund seines einzigartigen unternehmerischen Ökosystems und seiner hochqualifizierten Arbeitskräfte. Aber auch die besondere Venture Capital–Szene in Israel spielt bei dieser Namensgebung eine große Rolle. Denn schon seit mehreren Jahrzehnten entdeckt diese Szene vielversprechende Startups und unterstützt diese mit Beratung und Kapital. Auf eine beindruckende Art und Weise begann der israelische VC-Markt schon zu Beginn der 90er Jahre zu wachsen. Viele der damals gegründeten VCs sind heute noch immer sehr aktiv und darüber hinaus sehr erfolgreich.
Bereits 1993, als Israels Wirtschaft noch überproportional von staatlichen Mitteln abhängig war, erkannte die israelische Regierung die Notwendigkeit und Bedeutung davon private Investoren aus dem Ausland ins Land zu holen. So gründete sie die “Yozma Group” mit steuerlichen Anreizen für ausländische VC und begann mit einem Startkapital von 100 Millionen US-Dollar, welches zwischen 1993 und 1998 in über 40 Unternehmen investiert wurde. Bis heute gilt die Yozma-Initiative als besonderes Beispiel eines erfolgreichen staatlichen Kapitalfonds, der die Startup-Wirtschaft Israels schon sehr früh ankurbelte. Yozma war damals auch an der Gründung der 10 größten israelischen VC-Firmen beteiligt, darunter: Polaris, Concord und JVP.
Heute gehören zu den größten israelischen VC-Firmen: Pitango, Vertex Ventures Israel, 83 North, JVP, Viola, Magma Venture Partners, Gemini Israel Ventures, Genesis Partners und andere. 2020 waren Entrée Capital und F2 Ventures mit jeweils 14 Investitionen in Startups die aktivsten israelischen VCs.
VCs in Israel
Insgesamt sind derzeit ca. 205 israelische VC-Firmen, ca. 70 ausländische Firmen und ca. 60 Corporate-VCs tätig. Seit 2015 entstehen jährlich durchschnittlich 23 neue VCs. Alle VCs konzentrieren sich dabei auf verschiedene Phasen und Interessenbereiche, während jedes Unternehmen außerdem auch seine eigene Anlagestrategie hat.
VC-Unternehmen in Israel können in 4 Kategorien unterteilt werden:
VCs der 1. Generation – die “Paten” der israelischen VC-Szene
VCs der 2. Generation – VCs mit neuen Ideen und Ansätzen
Crowdfunding-VCs – ein leistungsstarkes neues Modell für VCs
Internationale VCs mit Büros in Israel – einige der weltweit besten VCs
Im Jahr 2020 waren VC-Unternehmen mit 88% der Investitionen weiterhin die wichtigste Kapitalquelle für den israelischen Technologiesektor und damit viele Startups. Die Anzahl der Investitionen von VCs in Israel stieg auf 8.955 Mio. USD, während 1.356 Mio. USD von israelischen VCs stammten. Die Gesamtinvestitionen der israelischen VC-Unternehmen gehen jedoch zurück und erreichten nur 15% der Gesamtinvestitionen, verglichen mit 18% im Zeitraum 2015-2018.
Der Sektor, der die meisten Investitionen verbuchen kann, ist weiterhin der Bereich Cybersecurity, gefolgt von Fintech und IoT. Die Situation während der Covid-19-Pandemie trug zu einer weiteren Steigerung israelischer VC-Investitionen in Cybersecurity Startups bei. Insgesamt lagen diese bei um 70% und machen damit nun 31% der gesamten globalen Investitionen in diesem Sektor aus. Aufgrund der beispiellosen Cybersecurity-Bedrohungen während der Covid-19-Pandemie, die ganze Teile der Wirtschaft erfassen, gelang es den israelischen Cybersecurity Startups, in 100 verschiedenen Transaktionen einen Rekord von 2,9 Mrd. USD zu erzielen. Einige der israelischen VCs, die in diesem Sektor investieren, sind: YL Ventures, Vertex, JVP oder Team8. Nennenswert ist in diesem Kontext die Gründung von CyberStarts, einem VC-Fonds, der von etwa 50 erfolgreichen Unternehmern aus dem Bereich Cybersicherheit selbst ins Leben gerufen wurde, um nun in diesem Sektor zu investieren.
Ein weiteres interessantes Beispiel für die enge Verflechtung von Startups und VCs ist die Ernennung von Dr. Erel Margalit, Gründer und Vorsitzender von JVP, in den Verwaltungsrat von ThetaRay, einem Startup, das sich mit Lösungen für Cyberkriminalität und Geldwäsche befasst. Mark Gazit, CEO von ThetaRay, erklärt: “Erels umfassende Erfahrung darin, JVP-Portfoliounternehmen zu einer globalen Führungsposition zu führen, wird ThetaRay helfen, seine Finanzgeschäfte nicht nur erheblich auszubauen, sondern auch in andere Branchen einzudringen.”
Die meisten Investitionen in israelische Startups werden weiterhin in Startups getätigt, die sich bereits in späteren Entwicklungsphasen befinden. Dennoch gab es jedoch auch einen Anstieg von Early-Stage-Investments – ein positives Zeichen für die lebendige Startup-Szene.
Insgesamt stiegen die Series-A-Investitionen der israelischen VCs zwischen 2014 und 2020 um 65% gegenüber 25% der Investitionen aus ausländischen Märkten. Israelische VCs waren 2020 für 45% aller Erstinvestitionen in Israel verantwortlich.
Die Innovationsbehörde und andere Finanzierungsmöglichkeiten für Startups
Neben der lebendigen und erfolgreichen VC-Landschaft bietet Israel eine Vielzahl verschiedener anderer Arten von Organisationen, die Startups unterstützten und in sie investieren. Besonders hervorzuheben ist dabei die Arbeit der israelischen Innovationsbehörde unter Leitung des Chief Scientist, die schon im Jahr 1965 gegründet.
Die Israel Innovation Authority ist eine unabhängige öffentlich finanzierte Agentur, die gegründet wurde, um eine Vielzahl praktischer Instrumente und Finanzierungsplattformen bereitzustellen, mit denen die dynamischen und sich ändernden Bedürfnisse der lokalen und internationalen Innovationsökosysteme wirksam berücksichtigt werden sollen. Die Innovationsbehörde unterstützt Unternehmer, die neue Produkte oder Herstellungsverfahren entwickeln, Studierende bzw. Akademiker, die ihre Ideen auf den Markt bringen möchten, globalen Unternehmen, die an einer Zusammenarbeit mit israelischer Technologie interessiert sind, israelischen Unternehmen, die neue Märkte im Ausland suchen, oder auch traditionelle Industrien, die innovative und fortschrittliche Fertigung in ihr Geschäft integrieren möchten.
Darüber hinaus gibt es in Israel weitere Finanzierungsmöglichkeiten für neu gegründete Hightech-Unternehmen. Eine solche Option stellt das „technological incubator program“ dar. Das 1991 ins Leben gerufene Programm umfasst mittlerweile 24 gemeinnützige Gründerzentren im ganzen Land. Gefördert von der Regierung arbeitet die Initiative mit einer Vielzahl von Universitäten, multinationalen Unternehmen und unterschiedlichen Investoren zusammen. Die Programme bieten Gründerinnen und Gründer sobald sie eine Idee haben, hier die Möglichkeit sich weiterzuentwickeln. Als Teilnehmer an diesen Programmen wird den Unternehmen ein Zugang zu Arbeitsbereichen gestellt, administrative Unterstützung angeboten sowie Rechtsberatung oder auch Unterstützung für den Eintritt in den globalen Markt ermöglicht. Neben diesen, gibt es auch private Inkubatoren oder Inkubatoren, die von VC-Fonds oder großen Unternehmen verwaltet werden, die Startups unterstützen, diese dann aber häufig sehr zielgerichtet für ihre eigenen Bedürfnisse.
Eine weitere Option, um Unterstützung zu erhalten, stellt in Israel die Teilnahme an einem der 100 Accelerator-Programme dar. Diese Programme bieten spezielle Beratung und Unterstützung für neu gegründete Startups. Accelerators bieten technische und rechtliche Beratung, Vorstellungen und Kontakte zu potenziellen Investoren, Unterstützung und Anleitung bei der Entwicklung erfolgreicher Geschäfts- und Arbeitspläne und vieles mehr.
Darüber hinaus verfügt Israel über eine große Private Equity,-Landschaft, über 90 Angel-Investoren, es existieren 8 Crowdfunding-Plattformen und viele weitere Möglichkeiten der Unterstützung für Startups.
Investitionen in europäische Startups
Auch in Europa wachsen die Startup-Szenen in den letzten Jahren weiter sehr stark. Parallel dazu steigt die Wettbewerbsfähigkeit der Startup-Szene Israels und den USA. Israelische Investoren interessieren sich somit immer mehr für Investitionen in europäische Startups und drängen damit in den Markt. Die israelische VC-Firma 83 North hat sogar bereits die Hälfte ihrer Gesamtinvestitionen in Europa getätigt. Viele der jüngeren israelischen VC-Fonds wie Crescendo Venture Partners und aMoon haben sogar schon einen europäischen Partner. Der VC-Fonds Viola hat kürzlich eine Investition in das deutsches Startup Candis getätigt, das sich mit der Buchhaltung kleinerer Unternehmen befasst.
Laut Omri Ben David, General Partner bei Viola Ventures, herrscht in Europa ein Gesamtdefizit bei Investitionen in den Runden A und B, zu denen Israel viel beitragen kann. Viola wird so stärkerversuchen, mindestens 2-3 Investitionen pro Fonds in europäische Unternehmen zu tätigen.Weitere VCs werden folgen.
Trotz der Corona-Pandemie nahm die VC-Aktivität in Israel im Jahr 2020 zu – ein Indikator für die große Flexibilität des israelischen technologischen Ökosystems und seine Platzierung als Hauptfaktor für die wirtschaftliche Stabilität Israels. VC-Unternehmen gelang es in kürzester Zeit, neue Anlagemodelle wie Wachstumsfonds und akademische Fonds zu entwickeln.
Der positive Trend scheint sich auch im Jahr 2021 fortzusetzen: “Der israelische Markt hat sich in den letzten Jahren enorm entwickelt und es war ein Rekordjahr für israelische Startups mit 5,374 Mrd. USD, die nur im ersten Quartal 2021 in 172 israelische Tech-Deals investiert wurden.” Laut Yuval Cohen, Gründer und geschäftsführender Gesellschafter von StageOne Ventures, zeigten sich die israelischen Seed-Investments widerstandsfähig, obwohl 2020 das Jahr der globalen Pandemie war. Laut Cohen ermöglichte Israels Start-up-Ökosystem auch für neu gegründete Unternehmen und erstmalige Unternehmer remote-deals. Viele vielversprechende Unternehmen wurden gegründet, insbesondere in den Bereichen Cybersicherheit, AI & ML, Cloud-Infrastruktur, Future ofWork und SaaS. Cohen spricht davon, dass haben sich all ihre Portfolio-Unternehmen sehr früh an die Situation angepasst hätten, sowohl im Kontext Fundraising als auch Vertrieb, Wachstum und Marketing bis hin zu allen anderen Bereichen. Er bestätigte, dass viele Unternehmen wuchsen und expandierten oder sogar Rekordumsätze erzielten.
About the author
Jill Wyler
Jill Wyler hatte verschiedene berufliche Positionen in Israel inne und war bis vor kurzem die israelische Vertreterin einer in Washington ansässigen unabhängigen akademischen Organisation, die sich darauf konzentrierte, das Wissen über das moderne Israel an Universitäten in den USA und auf der ganzen Welt zu verbessern.
Bei ELNET arbeitet sie als Programmkoordinatorin im israelischen Büro für das German Israeli Network of Startups & Mittelstand (GINSUM). Jill hat einen Master-Abschluss in Internationalen Beziehungen mit Schwerpunkt Diplomatie und Außenpolitik von der Hebrew University of Jerusalem